Missions-Benediktinerinnen von Tutzing

Eine neue Zukunft für das Kloster Wessobrunn

Die jahrelange Suche der Missions-Benediktinerinnen von Tutzing nach einem neuen Eigentümer für die Klosteranlage Wessobrunn ist zu einem erfolgreichen Ende gekommen. 99 Jahre nach ihrem Einzug haben die Schwestern im Dezember 2012 Wessobrunn verlassen. Mit dem Verkauf an die Naturkosmetikfirma Martina Gebhardt wird nun ein neues Kapitel Klostergeschichte aufgeschlagen. Der Rückblick beginnt mit dem Jahr 1913, in dem Reichsrat Theodor Freiherr von Cramer- Klett das Wohnproblem der schnell wachsenden Gemeinschaft der Missions-Benediktinerinnen von Tutzing dadurch zu lösen versuchte, dass er das Klosterareal in Wessobrunn den Schwestern zur Verfügung stellte, die es 1929 käuflich erwarben. Geplant war zunächst, das Kloster als Erholungsstätte für kranke und alte Mitschwestern zu nutzen. Sehr bald schon übernahmen Schwestern Aufgaben in der Gemeinde, errichteten einen Kindergarten und pflegten Kranke im Dorf. Bis 2012 war hier eine Gemeinschaft, die nach der Regel des heiligen Benedikt lebte, wie es Benediktiner schon Jahrhunderte vorher getan hatten, und die gemäß ihrem besonderen Ordensauftrag missionarisch wirkte für die Menschen im Ort und weit darüber hinaus. 80 Jahre lang wurden Wessobrunner Kinder im Kindergarten von Schwestern erzogen.

40 Jahre lang leisteten die Schwestern als Krankenschwestern wichtige Dienste in der ambulanten Krankenpflege. Während der Kriegsjahre wurde das Haus für Umsiedler und Kinder aus luftgefährdeten Städten genutzt, und zehn Jahre lang war es nach dem Krieg Ausweichkrankenhaus der Stadt München für altersschwache Dauerpatienten. Von 1955 bis 2001 boten die Schwestern kranken Kindern aus dem ganzen Bundesgebiet im Kinder- und Jugendkurheim Möglichkeit für Genesung und Erholung. Vor 40 Jahren öffneten die Schwestern die Klostertüren für jährlich ca. 16.000 Besucher, um die wertvollen stukkierten Flure und Räume zu zeigen und den Besuchern religiöse Kunst zu erschließen. In den letzten Jahren nutzten viele Gruppen das Haus für Besinnungstage und Fortbildungskurse, und Jakobspilger suchten das Kloster als Herberge auf. Fast ein Jahrhundert wirkten Missions-Benediktinerinnen im Kloster Wessobrunn. Diese Jahre waren geprägt von bereichernden Erfahrungen eines erfüllten Ordenslebens, von Freude und Dankbarkeit, auch von Sorgen und Nöten. Der Segen Gottes war spürbar- für die Schwestern ebenso wie für die Menschen im Ort und viele andere, die als Gäste, Pilger und Besucher kamen. Durch die Gesundheitsreform ging die Zahl der Kurkinder so drastisch zurück, dass im Jahre 2001 dieser wichtigste Aufgaben- und Einnahmebereich aufgegeben werden musste.

Zudem nahm das Alter der Schwestern stark zu und ihre Zahl sank auf elf. Eine Neuausrichtung der Arbeit oder eine Erweiterung und Verjüngung der Gemeinschaft waren aufgrund von fehlendem Ordensnachwuchs nicht möglich. So stand die Ordensleitung vor zwei großen Aufgaben. Einerseits mussten die hier lebenden Mitschwestern, die seit Jahrzehnten mit „ihrem Wessobrunner Kloster“ vertraut waren, auf den Abschied und den Umzug nach Tutzing oder in eine andere Gemeinschaft vorbereitet werden. Andererseits musste ein Käufer gefunden werden. An eine Fortsetzung der Klostertradition durch eine andere geistliche Gemeinschaft war nicht zu denken. Und weder die Bayerische Staatsregierung noch die Diözese Augsburg sahen sich imstande, die Immobilie zu kaufen und zu nutzen. Daher konzentrierte sich das sehr ernsthafte Bemühen um eine sinnvolle Nachnutzung auf die Suche nach einem privaten Investor. Der sollte nicht nur ein Kaufinteresse haben, sondern auch einige Erwartungen erfüllen, nämlich: Erhaltung der architektonischen Einheit der Gesamtanlage, Bewahrung der historischen Substanz und Wertschätzung der Bedeutsamkeit des Gebäudes, Nutzung der spirituellen Kraft des Ortes, Ermöglichung eines öffentlichen Zugangs zum Fürstentrakt sowie wirtschaftliche und touristische Vorteile für den gesamten Ort. Die Beachtung dieser unterschiedlichen Kriterien sahen wir am besten gewährleistet durch die Unternehmerin Martina Gebhardt, die nicht nur ein vielseitiges Nutzungskonzept aufweisen kann, sondern als Architektin mit Liebe zu historischen Gebäuden auch die notwendige Sachkenntnis für den Erhalt der denkmalgeschützten Räume mitbringt. Auch in dieser Hinsicht übergeben die Schwestern ein kostbares Erbe, denn für ihren hohen Einsatz für den Denkmalschutz z.B. die Renovierung der Stukkaturen und Deckengemälde des Fürstentraktes wurden sie 1991 mit der bayrischen Denkmalschutzmedaille ausgezeichnet. Mit der Entscheidung zum Verkauf an die Firma Martina Gebhardt, Naturkosmetik, verbindet der Orden die Hoffnung, dass das Kloster Wessobrunn ein Ort bleibt, wo Menschen gerne arbeiten und leben und weiterhin das finden, was Leben lebenswert macht: Stärkung und Erholung für Leib und Seele. Tutzing, den 12.Juni 2014

Sr. Hildegard Jansing Priorin